Review

Yaa Gyasi: Homegoing

// Black HERstory Month

 

// Im Februar 2020 habe ich eine Reihe an Empfehlungen für Bücher von weiblichen bzw. female presenting Schwarzen, afrikanischen Autor*innen auf Instagram hochgeladen. Obwohl ich mich selbst nicht als Schwarz bezeichne (manche meiner Familienmitglieder tun es), bin ich eine PoC aus dem subsaharen, afrikanischen Kontext. Im deutschsprachigen Raum sind Schwarze Autor*innen ohnehin unterrepräsentiert, von Schwarzen Autor*innen Afrikas, die nicht in der europäischen oder amerikanischen Diaspora sozialisiert wurden, hört man so gut wie gar nichts. Als ich die Bücher empfahl versprach ich, sie beizeiten genauer zu rezensieren. Aufgrund der jetzigen COVID19-Krise habe ich dafür nun Zeit. Hier folgen also die besagten Rezension zu dem ersten Buch, das ich im Rahmen des Black History Month empfohlen habe. Ich nehme in diesen Rezensionen grundsätzlich Bezug auf die englischen Originalversionen (in manchen Fällen auch Übersetzungen) der Romane. Auf deutsche Übersetzungen weise ich hin.

1. Yaa Gyasi: Homegoing

Homegoing von Yaa Gyasi ist wahrscheinlich eine der bekannteren Namen auf dieser Liste. Gyasi emigrierte im Alter von zehn Jahren mit ihrer Familie von Ghana nach Alabama. Insofern ist sie keine der Autor*innen, die einen besonderen Push brauchen oder die verhältnismäßig zu den anderen Autor*innen dieser Liste benachteiligt wäre. Dennoch ist ihr Buch sehr wichtig, sowohl für den (west-)afrikanischen Kontext, als auch für den panafrikanischen und die westafrikanische Diaspora. Das Buch liegt in deutscher Übersetzung von Anette Grube im DUMONT-Verlag vor. Der deutsche Titel, “Heimkehren”, transportiert leider nur unzureichend die vielschichtige Wirksamkeit dieses zweifachen Multigenerationen-Romans , denn es geht ja eben nicht um ein “Homecoming” sondern um ein “Homegoing” – wichtig ist also das Vorwärtsmomentum der Protagonist*innen, das Erschaffen eines neuen Zuhauses. Der Roman beginnt im 18. Jahrhundert in Ghana. Effia und Esi sind Schwestern, die sich nie kennenlernen. Ihre Leben verlaufen von Beginn an grundlegend verschieden. Effia heiratet einen Engländer, der direkter Profiteur des Sklavenhandels ist, während Esi als Sklavin nach Amerika verkauft wird. Was folgt ist eine Geschichte der Nachkommenschaft, die sich auf beiden Seiten des Atlantiks komplex und verwoben abspielt. Trotz aller Unterschiede sind die Gemeinsamkeiten eines intergenerationalen Traumas unverkennbar. Durch die gewählte Struktur gelingt as Gyasi, sowohl die Geschichte der westafrikanischen Diaspora in den U.S.A. als auch die innerhalb Ghanas geschickt aufzuarbeiten.

Dass aus der Perspektive mehrerer Personen über Generationen hinweg erzählt wird, ist ein recht gängiger Topos von Autor*innen der Diaspora. In Schwarzen Kontexten jedoch bedeutet die Erschaffung einer multigenerationalen Herkunftsgeschichte gleichsam die Erschaffung einer unumstößlichen eigenen Identität. Da die Geschichte Schwarzer Personen oftmals nirgends festgehalten ist, kommt dieser Neukonstruktion eine besondere Wichtigkeit zu. Das Besondere an diesem Debütroman ist, dass die orale Tradition der westafrikanischen Diaspora trotz der Verschriftlichung erhalten bleibt, etwa wenn Generationen später Slam Poetry als künstlerisches Medium gewählt wird, um das Leiden, das kollektive Trauma der Versklavung, sichtbar zu machen.

Die Idee einer kollektiven Erinnerung und Geschichte ist ausschlaggebend für ein Vorankommen der afrikanischen Diaspora, und insbesondere für das Vorankommen Schwarzer Frauen in der Welt, wobei sich Vorankommen hierbei gewissermaßen einer Selbstemanzipation gleichkommt. Insofern ist Homegoing ein Buch in der Tradition von etwa bell hooks oder Audre Lorde, insbesondere in Bezug auf radikale Selbstliebe.

Wenn nicht bereits geschehen empfehle ich sehr, dieses Buch zu lesen.

 

 Bild: Marie Minkov